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03.04.2023
Krankheiten & Erste Hilfe

3 häufige Kindernotfälle und wie Eltern richtig reagieren

Unfälle passieren! Als Notarzt und Notärztin sowie Eltern von Zwillingen sehen und erleben wir, Dr. med. Lukas Dehé und Dr. med. Annalena Dehé, das leider täglich. Meist reicht bereits ein Bruchteil einer Sekunde aus und schon ist es passiert. Etwa 60 Prozent der Unfälle von Kindern passieren in der eigenen Wohnung oder im häuslichen Umfeld. Typische Unfälle sind Stürze, Verschlucken, Verbrennungen, Verbrühungen, Vergiftungen oder auch kritische Notfälle wie Ertrinkungsunfälle.

Viele Eltern fühlen sich in Notfallsituationen hilflos und sind in diesen Momenten selbst so geschockt, dass sie sich erst einmal sammeln müssen. Gleichzeitig braucht das verletzte Kind eine Versorgung. Eltern wollen es beruhigen und ihm bestmöglich beistehen. Wir sind der festen Überzeugung, dass Kinder in kritischen Situationen durch das richtige und geschulte erste Handeln gerettet werden können oder eine Verschlechterung des Notfalls abgewandt werden kann. Erste Hilfe ist so wichtig und auch gar nicht so schwer, wenn man ein paar Dinge beachtet.

Wir haben 3 häufige Kindernotfälle zusammengefasst und wie Eltern im Fall der Fälle richtig reagieren.

1. Verschlucken

Verschlucken – das kennt jede:r aus eigener Erfahrung sowie aus Film und Fernsehen! In der medizinischen Fachsprache nennt man das Fremdkörperaspiration. Das bedeutet, dass ein Fremdkörper in die Luftröhre rutscht, kleinere Gegenstände sogar noch tiefer und bis in die Lungenäste.

1.1 Häufigkeit

Gefühlt betrifft das vor allem Personen mittleren Alters, die bei plötzlich einsetzender Luftnot durch das sogenannte Heimlich-Manöver gerettet werden. Das ist aber gar nicht der häufigste Fall, denn Fremdkörperaspirationen treten insbesondere bei Kindern in einem Alter von 6 Monaten bis 5 Jahren auf. Ab einem Alter von 5 bis 6 Monaten stecken Kinder nämlich alles in den Mund, was sind finden können – es beginnt die „Orale Phase“. Das liegt daran, dass der Tastsinn über den Mund in diesem Alter viel besser entwickelt ist als der Tastsinn der Hände oder auch der Sehsinn. Die Kleinen ertasten sich also mit dem Mund ihre Umgebung. Dabei kann dann schnell etwas in die Luftröhre gelangen und einen der typischen Hustenanfälle auslösen. Der Häufigkeitsgipfel mit ca. 50% aller Fremdkörperaspirationen liegt übrigens im 2. und 3. Lebensjahr.

1.2 Typische Fremdkörper

Typische Fremdkörper sind zum Beispiel Nahrungsmittel wie:

  • Nüsse
  • Weintrauben
  • Popcorn
  • Karottenstücke

Oder auch kleinere Spielzeugteile wie:

  • Perlen
  • Murmeln
  • kleinere Holz- oder Plastik-Bauklötze

Besonders gefährlich sind auch spitze Gegenstände wie Nadeln, Schrauben und Nägel, da diese Verletzungen hervorrufen können. Ähnlich ist es bei Teilen von Folien oder Luftballons, weil diese sehr schwer abgehustet werden können.

1.3 Was kannst du als Elternteil tun?

Die akute Luftnot stellt für Kinder und Eltern oft ein sehr belastendes Ereignis dar und die aufkommende Panik kann die kritische Situation zusätzlich verschlechtern. Deshalb gilt es, die Ursache schnell zu erkennen und unmittelbar zu handeln.

Das Vorgehen unterscheidet sich je nachdem, wie schwerwiegend die Fremdkörperaspiration ist. Wenn dein Kind nur etwas hustet und dazwischen normal atmet, schreit, weint oder mit dir spricht, besteht wahrscheinlich erstmal keine akute Gefahr. Man spricht dann von “Effektivem Husten”. Schau einfach kurz in den Mund und versuche, sichtbare Fremdkörper zu entfernen. Aber du solltet keinesfalls nach Fremdkörpern im Rachen tasten, die du nicht siehst! Wenn der Hustenstoß effektiv ist, solltest du abwarten bis der Fremdkörper selbstständig abgehustet wird. Nichts ist so effektiv wie das eigene Husten, um den Fremdkörper zu entfernen. Ermuntere deinen Sprössling, weiter zu husten, und überwache ihn kontinuierlich.

1.4 Wann wird es kritisch?

Wenn das Husten des Kindes ineffektiv wird, ist Gefahr im Verzug. Dies erkennst du daran, dass das Bewusstsein abnimmt, das Husten leiser wird, das Kind nicht mehr richtig Luft holt oder du eine Blauverfärbung der Haut bemerkst. Dann musst du unbedingt sofort den Rettungsdienst alarmieren und schnell handeln: Solange das Kind bei Bewusstsein ist, legst du es am besten in Kopf-Tieflage mit dem Bauch auf deinen Unterarm oder Schoß und stabilisierst den Kopf mit der Hand. Dann schlägst du, dosiert aber kräftig, mit der anderen flachen Hand auf den Rücken zwischen die Schulterblätter. Das solltest du maximal fünfmal wiederholen. Ziel ist, den Fremdkörper mit einem einzelnen Stoß zu beseitigen, statt viele davon zu benötigen. Falls die Schläge auf den Rücken den Fremdkörper nicht beseitigen, musst du bei einem Baby im Alter von unter einem Jahr bis zu fünf Thoraxkompressionen in Kopf-Tieflage durchführen.

Bei Kindern über einem Jahr solltest du nach den fünf Schlägen auf den Rücken bis zu fünfmal das Heimlich-Manöver durchführen. Sowas muss man unbedingt regelmäßig üben!

2. Verbrennungen

Jedes Jahr müssen allein in Deutschland mehr als 30.000 Kinder unter 15 Jahren mit Verbrennungen und Verbrühungen ärztlich versorgt werden, ca. 7.500 Kinder verletzen sich so schwer, dass sie stationär behandelt werden müssen.

Als Notärzt:innen wissen wir, dass die häufigsten Verbrennungen oder Verbrühungen zu Hause passieren. Etwa 30% davon mit heißer Flüssigkeit. In den meisten Fällen kommt es zu Verbrennungen im Kopf- und/oder Halsbereich, wenn der Nachwuchs heiße Getränke der Eltern mit der Tischdecke vom Tisch zieht oder versehentlich aus der Hand schlägt. Eine der größten Gefahrenquellen in der Küche ist nicht etwa der Backofen, sondern das herabhängende Kabel vom Wasserkocher!

Nach Verbrennungen werden Kinder meist über eine zu lange Zeit (bis zum Eintreffen Rettungsdienst und das bedeutet auf dem Land durchaus mal 25 Minuten Anfahrtszeit) in eiskaltem Wasser gekühlt, oft auch ohne die Kleidung vorher entfernt zu haben. Dies kann zum einen schwere Unterkühlungen zur Folge haben, die z.B. mit Kreislaufeinschränkungen und sogar langfristigen Schäden einhergehen können.

2.1 Was kannst du als Elternteil tun?

Nach Verbrennungen oder Verbrühungen sollte das Kind sofort an den betroffenen Stellen entkleidet werden und möglichst schnell mit ca. 20°C (lau)kaltem Wasser für 10-15 Minuten gekühlt werden. Verbrennungswunden sollten nicht zuhause mit Cremes oder Ölen vorbehandelt, sondern nur mit trockenen Wundauflagen (oder z.B. sauberen Baumwolltüchern) bedeckt werden.

Wichtig: Sobald du eine Blasenbildung auf dem verbrannten Hautareal entdeckst oder mehr als 5% der Körperoberfläche betroffen sind, solltest du unbedingt den Rettungsdienst rufen. Hier eine Faustregel für die Berechnung: Die Handfläche inklusive der Finger entspricht ca. 1% der Körperoberfläche.

3. Kopfverletzung

Der häufigste stationäre Behandlungsgrund bei Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren ist eine Kopfverletzung nach einem Sturz. Da der Kopf bei Säuglingen und Kleinkindern verhältnismäßig groß und besonders schwer ist, steigt die Gefahr von Kopfverletzungen und Gehirnerschütterungen. Zusätzlich dazu können kleine Kinder Gefahren und Höhenunterschiede noch nicht einschätzen und stürzen oder stoßen sich dadurch häufiger. Außerdem gilt: Je jünger das betroffene Kind ist, desto schlechter kann es sich dir mitteilen.

Wenn das Kind nach einem Sturz aus dem Sitzen oder Stehen auf den Kopf stürzt und im Anschluss nur kurz weint, sich normal verhält und sich lediglich eine kleine Beule bildet, kann man erst mal zuhause bleiben und muss nicht sofort den Kinderarzt, die Kinderärztin oder eine Notaufnahme aufsuchen. Wichtig ist aber, dass du dein Kleines nun für die kommenden 6-12 Stunden gut beobachtest.

Grundsätzlich sollte man ein Kind nach einem Sturzereignis immer intensiv beobachten und auf sogenannte „neurologische“ Symptome achten. Hiermit sind z.B. eine verwaschene Sprache gemeint oder auch schrilles Schreien und Verhaltensänderungen bei Kleineren (<1J.), die noch nicht sprechen können. Ein weiteres Symptom ist das Erbrechen innerhalb von 24 Stunden nach Sturz oder Kopfanprall. Außerdem gibt es einen besonderen Unterschied zwischen „es passiert am Morgen“ zu „es passiert am Abend“. Abends solltest du deinen Nachwuchs sicherheitshalber in einer Notaufnahme vorstellen. Neurologische Veränderungen können zuhause im Schlaf von Eltern meist nicht mehr beurteilt werden, da viele Kinder nach dem Einschlafen auch einfach nicht mehr erweckbar sind.

Noch ein wichtiger Tipp zum Abschluss:

Es klingt verrückt, aber tatsächlich geraten wir als Notärzt:innen oft in die Situation, in denen Eltern überhaupt keine Erste Hilfe leisten. Grund dafür ist immer die Sorge, etwas falsch zu machen.

Es ist aber wichtig, dass Eltern sich mit dem Thema Erste Hilfe auseinandersetzen, dieses Wissen immer wieder auffrischen und wiederholen. Grundsätzlich kann Wissen nur dann in Stresssituationen aus dem Gedächtnis abgerufen werden, wenn wir dies viele Male verinnerlicht und geübt haben. Als Eltern, aber auch als Notarzt und Notärztin empfehlen wir allen (werdenden) Eltern, sich für einen Erste-Hilfe-Kurs mit praktischen Übungen anzumelden – wie z.B. über unsere Website 12minutes.

Dein Bauchgefühl ist wichtig.  Viele Eltern machen sehr viel richtig und eine Sache, auf die wir uns als Notärzt:innen immer verlassen können, ist das Bauchgefühl der Eltern. Abschließend also unser Tipp: Wappne dich für den Notfall und hör auf dein Bauchgefühl. Eltern sind vielleicht keine Sepzialist:innen in Notfällen, aber definitiv die für ihre Kinder!

Alles Gute wünschen euch
Dr. med. Annalena Dehé & Dr. med. Lukas Dehé
Notärztin und Notarzt, Eltern von Zwillingen sowie Gründer:in von 12minutes

Hanna
Hanna
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