Der klassische Brief wurde irgendwann durch Mails, SMS und Whatsapp ersetzt. Nur Nostalgiker:innen und vielleicht Oma und Opa nutzen ihn noch. Ähnlich ergeht es den Kinderschuhen mit Schnürsenkeln, denn die werden mehr und mehr durch Schuhe mit Klettverschluss ersetzt. Das ist um einiges praktischer, weniger zeitaufwendig und generell für alle Beteiligten effizienter. Dementsprechend wird auch die Fähigkeit des Schleifebindens im Kindesalter kaum mehr benötigt und wird gewissermaßen wegrationalisiert. Bevor wir uns nun aber in Gesellschaftsanalysen vertiefen, erzählen wir dir lieber warum die Schnürsenkel auch weiterhin ihre Daseinsberechtigung haben und vor allem wie du deinem Kind das Schuhe binden spielend leicht beibringen kannst.
Sinnvoll oder nicht?
Ein Blick in die Schuhgeschäfte gibt Auskunft über das fortschreitende Aussterben der Schnürsenkel. Bis Größe 40 ist es inzwischen ganz normal, dass es fast nur noch Schuhe mit Klettverschluss gibt. Aus diesem Grund ist die Argumentation, dass man ja gar keine Schleife mehr können muss, auch nachvollziehbar. Im Alltag ist es schneller, wenn du mit deinem kleinen Racker rausgehen und etwas unternehmen willst. Die Betreuer:innen in der Kita haben ebenfalls mehr Zeit für andere Aktivitäten, wenn sie nicht erst 20 Kindern die Schuhe binden müssen und für das spätere Erwachsenenleben kann dein Nachwuchs ja einfach auf ein paar stylische Slipper oder Stiefel mit Reißverschluss umsteigen. Bevor du dich nun aber dem Fortschrittsglauben hingibst und deinem kleinen Schatz erklärst, dass Schnürsenkel ebenso wie Dinosaurier ein Relikt aus vergangenen Tagen sind, solltest du innehalten und kurz überlegen, ob das Schleife binden nicht doch einen Nutzen für dein Kind hat. Kleiner Spoiler: Hat es.
Eine Wissenschaft für sich
Im Zuge einer niederländischen Studie wurden europaweit über 2000 Mütter mit Kindern im Alter von zwei bis fünf Jahren bezüglich der Fähigkeiten ihrer Sprösslinge befragt. 19% der Kleinen konnten bereits mit dem Smartphone umgehen, 25% wussten wie man einen Webbrowser bedient und ebenfalls 25% konnten schon Schwimmen und Fahrradfahren. Sich selbst die Schuhe binden konnten dagegen nur 10%. Natürlich ist absolut legitim, wenn Kinder nur Schuhe mit Klettverschlüssen, Sandalen oder Gummistiefel tragen. Allerdings unterstützt das Erlernen des Schleifebindens die Entwicklung deines Kindes. Vor allem die Feinmotorik wird dabei gefördert. Von alleine wird dich dein Nachwuchs allerdings wohl kaum darum bitten, Schuhe mit Schnürsenkel zu kaufen. Das musst du selbst in die Wege leiten. Wenn die Technik aber erst einmal gelernt ist, wird dein Kind mächtig stolz sein und sich schon fast wie ein richtiger Erwachsener fühlen. Wie gesagt, motorische Herausforderungen machen Spaß und fördern die Entwicklung. Das Schuhebinden eignet sich dabei besonders toll, da es nicht zu schwierig ist und die Auge-Hand-Koordination beider Hände gleichzeitig beansprucht, somit also auch beide Gehirnhälften, dafür gebraucht werden. So entstehen neue synaptische Verbindungen im wissbegierigen jungen Gehirn. Nun aber genug der Lobpreisungen des schlackernden Verschlusses. Wie lernt dein Kind nun am besten die Schleife?
Übung macht den Meister
Ab dem Kindergartenalter haben Kinder das motorische Feingefühl, um die richtige Technik des Schuhebindens zu erlernen. Bei manchen geht das schnell, andere wiederum brauchen etwas länger. Kein Problem - lustige Reime und bunte Schnürsenkel machen das Lernen zu einer spaßigen Erfahrung. Für einen langsamen Einstieg gibt es sogar extra Schablonen, mit denen in Ruhe geübt werden kann, bevor es ans Schnüren unter Realbedingungen geht. Darüber hinaus ist es hilfreich, wenn die beiden Schnürsenkel unterschiedliche Farben haben. So ist das ganze Wirrwarr deutlich übersichtlicher. Du kannst sie ganz einfach selbst anmalen. Lass dein Kind zu Beginn erst einmal selbst alles ausprobieren. Nachdem du die ersten Versuche beim Schnürhandwerk aufmerksam beobachtet und analysiert hast, kannst du zeigen worauf es ankommt und erläutern, welche Hand was genau macht. Dabei solltet ihr am besten nebeneinander sitzen, denn die Handgriffe spiegelverkehrt umzusetzen, ist vorerst noch viel zu kompliziert.
Mit einem Knoten platzt der Knoten
Der Knoten ist der Anfang einer jeden Schleife. Dazu wird in jede Hand ein Schnürsenkel genommen und die beiden Enden werden verknotet. Wenn das gelungen ist, sollte das Prinzip noch ein bisschen vertieft werden und darf gerne an allen im Haushalt verfügbaren Schuhen geübt werden. Verschiedene Formen und Farben erhöhen den Spaß- und Lernfaktor. Für den zweiten Schritt, die Schleife, gibt es nun zwei Methoden. Beim etwas einfacheren Weg wird in jeder Hand eine Schlaufe geformt. Die werden dann ebenfalls einfach wieder verknotet. Wichtig dabei: Die Schlaufen dürfen nicht zu groß sein, sonst löst sich die Schleife wieder. Die Schlaufen sehen aus wie zwei Hasenohren und die Reihenfolge der Schritte prägt sich mit dem Merksatz “Hasenohr, Hasenohr, einmal rum und dann durchs Tor” bestens ein. Die zweite Methode ist die klassische Methode. Sie erfordert aber auch ein klein wenig mehr Geschick. Dafür geht sie, einmal erlernt, schneller und die Schleifen sitzen außerdem fester. Dabei wird nach dem Knoten nur der linke Schnürsenkel zu einer Schlaufe geformt und mit dem Daumen und dem Zeigefinger der linken Hand festgehalten. Der andere Schnürsenkel wird um die Schlaufe und den Daumen gelegt, dann wird aus ihm ebenfalls eine Schlaufe gebildet und im Anschluss unter dem Daumen durchgeschoben. Jetzt nur noch festziehen und der Schuh sitzt. Der kindgerechte Merksatz geht so: Mit links den entsteht ein Baum (die Schlaufe), die Schlange schlängelt sich darum (der rechte Schnürsenkel) und verkriecht sich dann in die Höhle (unter dem Daumen). Bei dieser Geschichte bekommt dein Kind sicher gleich Lust, raus in die Welt zu ziehen und ein paar echte Schlangen zu suchen. Zum Glück sind die in unseren Breitengraden weitestgehend ungefährlich.